Moin,
Ich habe mit Anfang 40 meine Moped-Pappe nachgeschoben und bin nun mit 50 Lenzen auf dem Buckel ein paar Jahre zweirädrig motorisiert unterwegs, inzwischen mit der 650er L3 V-Strom, die erste war eine Suzuki Bandit 650 mit einem sahne-seidigen und sanft, aber präsent druckvollem Reihenvierer - das letzte luftgekühlte Modell. Übrigens auch ein allerliebstes Einsteigereisen mit genug Reserven für die erfahreneren Tage
Die Entscheidung für beide Maschinen fiel jeweils nach einer ausgiebigen Probefahrt. Ich hatte mich wie Du durch diverse Tests gelesen, meine Anforderungen spezifiziert und dann geguckt was es für Mopeds gibt, die dazu passen. Es kristallisierte sich dabei gerade bei der ersten Maschine schnell ein Favorit heraus, von dem ich nach 10 Minuten Probe fahren wusste: DIE wird`s nicht! Soll am Ende heißen: Lesen kann man soviel man will, am Ende entscheidet das Gefühl auf dem Bock. Die Bandit wurde letztes Jahr gegen eine junge gebrauchte V-Strom eingetauscht, da ich mit 1,95 Metern gerne etwas aufrechter sitzen wollte und mir der Kniewinkel auf der Bandit zu spitz wurde und ich nach einer Stunde immer Knieschmerzen hatte.
Ich konnte gestern eine 1000er ausgiebig Probe fahren und will Dir mal meinen persönlichen Eindruck im Vergleich zur 650er schreiben. Vielleicht hilfts...
Gestern habe ich meine 650er zur Inspektion gebracht und vom Freundlichen eine neue 1000er als Ersatzfahrzeug mitbekommen. Ich hatte letztes Jahr schon mal eine und war nur mäßig begeistert, aber da hat es auch geregnet, ich hatte kaum Zeit und bin nur eine kurze Strecke zum Job und zurück gefahren.
Aber da in Deutschland (und Östereich) im Gegensatz zum Rest der Welt Prestige und PS eine Symbiose eingehen, Motorrad fahren ja ab 1000ccm erst anfängt und man unter 100 PS ja kaum eine Steigung hochkommt (wie mache ich das nur immer mit meinen Mopeds...) und unter 100Nm das Fahren ja eher zäh ist und zudem laaaaangweilig ...Gestern also: Probefahrt!
Als erstes: Die 1000er V Strom ist ein tolles Motorrad, hat "Bumms" ohne Ende, ist total handig und super zu fahren!
Ich bin kein Blümchenpflücker, aber auch kein Rennfahrer. Ich versuche mich zügig mit Fahrspaß, aber auch sicher und mit Voraussicht im Verkehr zu bewegen.
Fährt man die 1000er "normal", d.h. kultiviert + zivilisiert, so wie der normale Verkehr es zulässt, ohne gewaltig am Kabel zu reißen oder den wilden Mann zu spielen, habe ich eigentlich kaum einen Unterschied zur 650er gespürt. Das ging mir schon bei der ersten Fahrt im letzten Jahr so.. Erst beim Blick auf den Drehzahlmesser wird klar: OK, es passiert alles 1000 U/min früher wg. des höheren Drehmoments....
Der Motor läuft aber etwas auch rauer als der seidenweiche V2 der 650er und die 1000er ist wegen der größeren beweglichen Massen etwas weniger verzeihlich beim etwas untertourigem Tuckern z. B. im 4. bei 50 km/h im Stadtverkehr oder beim schalt-faulen rollen um die Kurven. DA ist die 650er fast sanfter, hackt nicht so mit der Kette und verzeiht eher auch mal einen zu hohen Gang und reagiert nicht so ruppig. Gewöhnungsprozess aber: Guck an...hätte ich nicht gedacht...
Beim beherzten Zug am Gashahn ist schnell das gewaltige Drehmoment der 1000er zu spüren, das die Maschine schon ab gut 3000 U/min bietet. DA passiert wirklich was, da lauert ein echter Bulle in den Zylindern!
Allerdings flutschte mir zweimal auch kurz das Hinterrad leicht und funkte dann die TC dazwischen und nahm mir Leistung weg - dabei bin ich gefühlt gar nicht SO grob gefahren...
... Hmm...wenn das im normalen Fahrbetrieb solo auf trockener Straße passiert, könnte man sich ja fragen: Wozu die Leistung, wenn ich sie eh nicht auf die Straße bringen kann...? Da war doch dieser Spruch von den maximal 70 PS, die ein durchschnittlich schlechter Gelegenheits-Freizeit-Mopedfahrer so wie ich, eigentlich in der Lage ist auf die Straße zu bringen, ohne in der Gefahr zu sein, in die Heide zu fliegen....
Die 1000er hat allerdings DAS Mehr an Leistung und Druck, das ich mir bei der 650er mit der Sozia hinten drauf z.B. beim Überholen manchmal wünsche.
Solo kann ich dieses Mehr an Leistung im normalen Fahrbetrieb bei normalem Verkehr aber kaum abrufen und gefahrlos einsetzen. Ich fahr zu 90 Prozent solo, Touren sowieso.. so what? 3 bis 5x im Jahr zur Eisdiele und zum Strand sind wir zu zweit auch immer gut hingekommen...eigentlich hat da auch nie was gefehlt.
Damit kommt der nächste Punkt:
-Auf der Landstraße (gute, bekannte Strecke, Feierabendrunde) bei normalen, entspannten Verkehrsverhältnissen konnte ich den zusätzlichen Punch nie so abrufen, wie er zur Verfügung stand.
-An Stellen, an denen ich mit der 650er nicht überhole, tue ich es mit der 1000er auch nicht- zumindest, wenn ich keine Kamikazie-Einsätze fahren will. Dort wo ich mit der 1000er überhole, kann ich es mit der 650er auch- ohne das mir Leistung fehlt, drehe sie halt nur etwas höher aus.
-Die 1000er liefert ab guten 3000 Touren einen gewaltigen Wumms, macht aber ab guten 6000 U/min den Sack recht fix wieder zu.
-Die 650er drückt zwischen 3500 und 8000 zwar nicht ganz so dolle aber auch schön satt und linear und bekommt bei knapp 8000 U/min noch mal nen richtigen Tritt wie ein kleiner Nachbrenner.
-Die 650er ist zwar etwas handiger, die 1000er steht ihr aber kaum was nach. Schon geil für ne fette 1000er!
-Da wo mir die 650er Bremse manchmal zu matschig ist, ist mir die 1000er Bremse fast zu giftig. Im ADAC-Sicherheitstraining habe ich aber die gute Bremsleistung der 650er mit ihrem fein regelnden ABS erbremmsen dürfen. Sie neigt zudem nicht zu Stoppies.
-Im Solo-Betrieb finde ich die 650er auch von der Fahrwerksabstimmung her komfortabler. Durch den schmaleren Tank sitze ich zudem besser.
-Bei der 1000er steht beim Spritverbrauch bei normaler Fahrweise eine satte 5 vor dem Komma, bei der 650er eine schmale 4. Beim Durchladen auf der Autobahn geht diese Spreizung noch weiter auseinander.
-Der Windschutz der neuen 1000er mit der verstellbaren Neigung der Scheibe ist super!
- MEINE 650er schaltet sich weicher.
-ICH finde den Schnabel und das Zyklopenauge der neuen Modelle potthäßlich.
Du merkst schon: Ich fand die 1000er super, aber Im Vergleich löste bei sie keinen "Haben wollen Effekt" aus, sondern ich bin ganz zufrieden wieder auf meine Lütte gestiegen und dachte sofort: "Passt doch alles!" Jedenfalls hatte ich kein deutliches "Mehr" an Fahrspaß. Wenn ich jetzt noch überlege, dass die 1000er neu gut 5000 Euro mehr kostet und höhere Unterhaltskosten hat, frage ich mich (... jemand anderes mag das anders sehen!!) zumindest solange ich überwiegend solo unterwegs bin: Wo ist der Mehrwert, der diese Investition rechtfertigt?
Das sehen übrigens auch Andere so - Diesen Vergleich hier:
http://www.motorradonline.de/vergleichs ... 97658.html
kann ich weitestgehend bestätigen.
Wenn es denn ein Twin sein soll und eine Tourenmaschine, würde ich Dir eine junge, gebrauchte 650er empfehlen und dann erst mal fahren + Spaß haben.
Investition ist überschaubar, Moped ist die eierlegende Wollmilchsau, machst Du nix verkehrt mit und verbrennst bei einer Gebrauchten im Zweifelsfalle auch kein Geld - die sind recht ab einem Alter von 2 bis 3 Jahren recht wertstabil. In Sachen Komfort, Fahrspaß, Vielseitigkeit und PS-Leistung wird es Dir gerade zum Anfang aller Wahrscheinlichkeit jedenfalls nach an nichts fehlen... in Sachen Prestige-Leistung....???
Besten Gruß und viel Erfolg!